2015 war unsere erste Schachmannschaft zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte in die Oberliga Nord (das ist im Schach die dritte Liga) aufgestiegen. Zur Einordnung dieser Spielklasse mögen folgende Angaben dienen.
Nach der Papierform war unsere Aussicht auf den Klassenerhalt gering. Früher hätte man sich diesbezüglich mit der Floskel „gleich null“ begnügt. Heute lässt sich dies mit dem sogenannten „Liga-Orakel“ (scheinbar) präziser angeben. Dabei handelt es sich um ein Rechentool auf der Seite des Schachklubs Bad Homburg, welches für alle überregionalen Ligen auf Basis einer „Monte-Carlo-Simulation“ Millionen denkbarer Partieausgänge durchrechnet und anhand der Wertungszahlen der gemeldeten Spieler auf ihre Wahrscheinlichkeit hin bewertet. Dieses Liga-Orakel gab vor der Saison unsere Aussicht auf den Klassenerhalt auf unter 3 % an.
Die ersten Wettkämpfe bestätigten diese Einschätzung durchaus: In den ersten drei Runden verloren wir mit 2:6 bzw. 2,5:5,5 Punkten deutlich, wobei sämtliche von uns in diesen Runden erzielten Punkte darauf beruhten, dass wir einzelne Partien unentschieden gestalten konnten, was beim Schach mit einem halben Brettpunkt bewertet wird. In der vierten Runde gelang uns endlich der erste Partiegewinn in der Oberliga durch unser Brett 5, Christoph Ramme. Auch in diesem Wettkampf waren wir aber weit von einem Mannschaftserfolg entfernt, denn zuvor waren die übrigen Partien mit 1,5;5,5 an unsere Gegner gegangen. Im ersten Wettkampf im neuen Kalenderjahr trafen wir auf den Mitaufsteiger SG Bargteheide, die einzige Mannschaft, die von den Wertungszahlen ungefähr in unserer Reichweite lag. Diesmal war der Wettkampf spannender, ging aber letztlich auch mit 3,5:4,5 Punkten verloren. Mit 0:10 Punkten waren wir natürlich Tabellenletzter, allerdings hatte sich die Konkurrenz noch nicht all zu weit abgesetzt, so dass wir zumindest noch darauf hofften, die rote Laterne abgeben zu können.
Unser Saisonverlauf nahm nun eine überraschende Wendung: In Runde sechs besiegten wir die Mannschaft des SK Johanneum Eppendorf, die zwei Jahre zuvor noch in gleicher Besetzung in der zweiten Bundesliga gespielt hatte, mit 4,5:3,5. Anschließend legten wir in Runde 7 und 8 jeweils mit einem 4:4-Unentschieden nach. Im Wettkampf gegen Diogenes endete eine bemerkenswerte Serie: Unser Spitzenbrett Holger Hebbinghaus verlor nämlich zum ersten Mal seit dem November 2004 (auch damals schon gegen Diogenes) eine Partie in einem Mannschaftskampf, obwohl er seitdem an allen Wettkämpfen teilgenommen hatte. Unser Gegner in Runde 8, der Lübecker Schachverein, war Deutscher Mannschaftsmeister der Jahre 2001 bis 2003.
Vor der letzten Runde stand damit fest, dass wir Johanneum Eppendorf hinter uns gelassen hatten und je nach Ausgang der Schlussrunde auch noch Bargteheide und unsere Letztrundengegner, die Schachfreunde Schwerin II, überholen konnten. Unser letzter Wettkampf in Schwerin lief über die volle Bedenkzeit und schien auf eine weitere Punkteteilung hinauszulaufen, als unser Spartenvorsitzender Herlan, der zeitgleich im Millerntorstadion den dortigen Wettkampf verfolgte, twitterte, dass Bargteheide gegen St. Pauli überraschend ein 4:4 erreicht hatte. Damit war klar, dass wir mit einem 4:4 Neunter bleiben würden. Nach einigen überraschenden Partieausgängen gelang uns jedoch noch ein glückliches 4,5:3.5, das uns den 7. Platz einbrachte.
Um den Klassenerhalt, den wir damit erkämpft zu haben glaubten, mussten wir im Nachhinein noch kräftig zittern, denn nach einem Rückzug aus der 2. Bundesliga und einem Protest gegen die Entscheidung des Turnierleiters zur Einordnung des Aufsteigers aus Mecklenburg Vorpommern, der im Erfolgsfall zu unserem Abstieg geführt hätte, stand erst zwei Monate nach unserem letzten Wettkampf aufgrund der abschließenden Schiedsgerichtsentscheidung fest, dass wir auch 2016/2017 in der Oberliga spielen dürfen.
Für unser überraschend gutes Abschneiden in den letzten vier Runden gibt es aus meiner Sicht verschiedene Erklärungsansätze: Tatsächlich haben wir in der ersten Hälfte der Saison die stärkeren Gegner gehabt, so spielten wir in den Runden 2 bis 4 gegen die Mannschaften die am Ende die ersten drei Plätze belegten. Außerdem hatten wir den geringsten Ersatzspielerbedarf aller Mannschaften. In den 72 Einzelpartien der gesamten Saison haben wir nur fünfmal Ersatzspieler einsetzen müssen, weil einer der acht Stammspieler verhindert war, während bei den gegnerischen Mannschaften zum Saisonende der Einsatz von Ersatzspielern zunahm. Eine wichtige Rolle kommt sicherlich auch unserem Trainer Jonathan Carlstedt zu. Jonathan, der bei uns in der Jugend Schachspielen gelernt hat, mittlerweile aber in der ersten Bundesliga für den Hamburger Schachklub aktiv ist, hat uns mit großem zeitlichen Einsatz auf die Wettkämpfe vorbereitet und weitere Trainingsinhalte erarbeitet. Diese vom Verein mitfinanzierte Trainingsgelegenheit und die für uns neue Herausforderung der höheren Spielklasse motivierten gerade den beruflich stark eingespannten Teil der Mannschaft, noch einmal mehr Zeit in die schachliche Fortbildung zu investieren, als dies in den vergangegen Jahren der Fall war.
Am 16.10. beginnt die neue Saison, wobei die Liga aufgrund des hoch einzuschätzenden Hamburger Aufsteigers noch stärker geworden sein dürfte. Das Liga-Orakel bewertet unsere Abstiegswahrscheinlichkeit schon wieder mit 97,5 % …
Text: Jeronimo Hawellek
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